Das Geiganter Schularchiv

Historische Schätze für die Schulsprengel Geigant und Zillendorf

GEIGANT. Der Schrank: immerhin ein wenig auffällig, die Kartons hingegen: völlig unscheinbar. Als Josef Ederer aber einen vorsichtig öffnet, funkeln seine Augen sofort: „Das ist ein Riesenglücksfall“, sagt der Katzbacher über das Archiv in der Geiganter Schule – Ederer muss es wissen, schließlich ist der 63-Jährige nicht nur Kreisheimat-, sondern auch Archivpfleger.

Die Dokumente und Unterlagen, die aus den Schulen Geigant und Zillendorf stammen (und eigentlich noch nicht als Archiv, sondern als Altregistratur bezeichnet werden müssen), sind in zweifacher Hinsicht bemerkenswert, erklärt er. Sie sind nahezu lückenlos, „eine Seltenheit“. Und was gerade die ältesten Unterlagen aus Zillendorf aus den Jahren ab 1856 so wertvoll macht: Standesämter wurden in Bayern erst 1876 eingeführt...

Sichten kostet Zeit. Vor etwa drei, vier Jahren – genauer kann es der Katzbacher nicht mehr sagen – hat er von dem „Schatz“ erfahren. Der war damals unscheinbar auf dem Dachboden Hitze und Kälte ausgesetzt. Nachdem die Stadt – deren Bemühungen Josef Ederer ausdrücklich lobt – eine erste Sichtung erledigt hatte, machte sich der Kreisheimatpfleger an die Arbeit, überprüfte und sichtete das vorhandene Schriftgut.

     Der ehemalige Aktenschrank der Gemeindekanzlei Geigant mit dem Schriftgut der Schulen Zillendorf und Geigant.

Das „Archivwürdige“ verpackte er in säurefreie Kartons und katalogisierte es nach dem Einheitsaktenplan. „Natürlich bleibt man beim Durchschauen am ein oder anderen hängen“, gibt der 63-Jährige gerne zu. „Es ist fast unvorstellbar, was da drinsteckt“, ergänzt er fasziniert. Beispiel: Dokumentation einer königlich lokalen Schulinspektion.

Aus Schülerbögen, Absenten- und Notenlisten (bei denen der Datenschutz ganz großgeschrieben wird) sticht ein Schulkatasterauszug aus dem Jahr 1925 heraus. Damals wurde das Grundstück der Schul- (=politischen) Gemeinde mit der Kirchengemeinde geteilt, die Gebäude inklusive „Wurtzgarten“ beschrieben – Heimatgeschichte pur.

Die eingetragenen Berufe der Eltern öffnen ebenso die Tür in eine andere Zeit: Damals gab es Austrägler, Hirten, Söldner... notiert ist auch eine ledige Söldnerstochter, früher eher Schande am Dorf, weiß der Heimatforscher. Mit den Namen gehen auch regionale Begriffe verloren, verdeutlicht Ederer, dem es ein Anliegen ist, Wörter und Wissen zu bewahren. Deswegen mutet es auch nur einen kurzen Moment komisch an, dass der Katzbacher zusammen mit Professor Dr. Josef Eckl aus Haibühl einen Artikel über die Bestandteile eines Leiterwagens verfasst hat. Gleiches gilt für die Sprache, die sich ändert. „Die Wörter sterben, wenn man nicht versucht, sie zu erhalten.“

Die klassenweisen Absentenbücher ermöglichen es, haargenau nachzuvollziehen, wer die Schule wann besucht habe. Dies ist für die Jahre 1943 bis 1950 von unschätzbarem Wert, weil manche Flüchtlinge in anderen Datenbanken nicht auftauchen oder die Unterlagen verloren gegangen sind.

Beim Durchblättern der Zeugnisse fallen die Fächer auf: mündliches und schriftliches Rechnen, Schönschreiben, Sittliches Betragen oder Nützliche Kenntnisse, womit wohl Dengeln oder Stricken und Häkeln gemeint sein dürften, „eben, was in der Landwirtschaft bzw. im Haushalt gefragt war“, verdeutlicht Ederer. Schließlich sei die Mechanisierung hier erst nach dem Zweiten Weltkrieg angekommen.

Durch die Statistik über Schulversäumnisse (die es seit Gründung des Königreiches Bayern gibt) könne man nachvollziehen, wie wichtig Mitarbeit der Kinder am bäuerlichen Hof war. War die nötig, war das Fernbleiben schuldlos, ansonsten „strafbewehrt“. Erinnert sei daran, dass zur „guten, alten Zeit“ auch die Sonntagsschule gehörte.

Vielen fehlt das Gespür. „Die meisten Menschen wissen nicht, welche Schätze in den Archiven von Städten und Gemeinden lagern“, lautet Josef Ederers Erfahrung. Oft liegen Raritäten auf dem eigenen Dachboden und es fehlt am Gespür. „Wenn die Leute nicht wissen, wer auf alten Fotos ist, oder, weil sie Briefe in deutscher Schrift nicht lesen können, werfen sie sie weg“, sagt Josef Ederer nachdenklich. „Da tut jedem, der sich mit Geschichte ein bisschen befasst, das Herz weh.“ Deshalb würde er in diesen Fällen nur allzu gerne vorab „belästigt“.

Seit ein paar Jahren macht der Katzbacher eine neue Erfahrung: „Die Jungen interessieren sich wieder mehr für die lokale Geschichte.“ Das bedeutet: Es wird mehr bewahrt, freut er sich. Offenkundig würde dieser Trend bei geschichtlichen Wanderungen, die er anbietet und bei denen die Älteren mittlerweile nicht selten in der Minderheit seien. Die gleiche Sprache sprechen Zugriffszahlen auf „seine“ Heimatseite www.katzbach.com.

Auf ihr hat er neben aktuellen Geschehnissen historische Urkunden aus der Gegend, veröffentlicht, die er – dem Zufall sei Dank – vor fünf Jahren im Staatsarchiv Amberg entdeckte und in mühevoller Kleinarbeit übersetzte und zuordnete. Sie sind, neben einem Dokument von 1608, mit dem die eigene Familiengeschichte beginnt, seine Lieblingsschriftstücke.

                                                           Eine Zensur- und Absentenliste aus dem Jahre 1914

Gäbe es Menschen wie Josef Ederer nicht, kaum einer wüsste von diesen Schätzen, auch von denen aus dem Geiganter Schularchiv nicht. Und Geschichte bewahren würde noch viel schwieriger. Erst vor drei oder vier Jahren wurde Josef Ederer von Gerhard Rückerl und Hans Rückerl, dem letzten Geiganter, der als letzter Lehrer an der Geiganter Schule unterrichtet hat, auf das Archiv aufmerksam gemacht. Damals waren die Unterlagen am Dachboden untergebracht.

Die Dokumente aus der Zillendorfer Schule reichen bis ins Jahr 1856 zurück, die ältesten Unterlagen aus Geigant stammen von 1886. Josef Ederer aus Katzbach ist „schon immer“ heimatgeschichtlich interessiert und übernahm im November 2015 das Amt des Archivpflegers für den Altlandkreis. Vor gut eineinhalb Jahren ließ er sich zusätzlich als Kreisheimatpfleger verpflichten.

Appell: Noch immer würden viele Menschen vermeintlich „altes Klump“ achtlos wegwerfen. Josef Ederer möchte sensibilisieren und verspricht, das Material zu sichten.

Text und Fotos: Petra Schoplocher, abgedruckt am 10. 6. 2020 in der Bayerwald Echo.

© by Josef Ederer, Katzbach 33, 93449 Geigant im Juni 2020

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